Wir kommen auf Touren

Lesedauer: 4 min

21. März 2021 ( Zermatt - VS )

Da Jasmin und Florian auf Grund ihrer „Weltreise“ die Wohnung aufgegeben haben, nun zeitweise in Lausanne hausen und die Anreise nach Zermatt generell etwas lang ist, hat uns Stephane einen Tag vorher zu sich nach Aigle eingeladen.  Zum Aufwärmen haben wir von dort aus gleich noch eine Skitour um den „Tour de Famelon“ gemacht. Eine sehr empfehlenswerte Tour, auch mit Schneeschuhen.  Von Aigle aus führt ein charmantes Lotterzüglein nach „Le Sépey“, wo Start und Endpunkt der Tour sind.

DSC_0206_edited_smalljpgTour de Famelon (VD) - Leysin

Ich stelle fest, ich habe keine Ahnung von den Waadtländer & Freiburger Alpen. Östlich der Linie Gantrisch, Gastlosen, Les Diablerets ist in meinem Kopf geographisches Niemandsland. Das muss sich ändern, ein erster Schritt dazu ist nun getan. Im Angesicht der Region und mit Hilfe einiger Tipps der Einheimischen, habe ich ein paar Tourenziele wie den „Vanil Noir“ und „Le Moléson“ auf meine ToDo-Liste gesetzt.

Aber wir wollen ja eigentlich ins Wallis und so trifft sich die komplette Gruppe am Samstag in St. Niklaus am Bahnhof. Wir machen eine kleine Kennelernrunde, weil sich noch nicht alle kennen. Dabei gibt uns Janik noch die Möglichkeit, Material bei ihm im Auto zu deponieren. Da ich gestern gesehen habe, wie gut Stephane fotografiert und er seine grosse Kamera mitschleppt, habe ich meine Fotoausrüstung auf mein Handy und die GoPro reduziert und den Rest bei Janik ins Auto gelegt. Nochmals 900g Gewicht weniger. Da streckt mir Florian 500g Brot hin, naja, immerhin besser als das Seil. Wir gehen nochmals gemeinsam die wichtigen Ausrüstungsgegenstände und das Gruppenmaterial durch. Danach begeben wir uns mit dem Zug nach Zermatt und von dort mit der Seilbahn zum Schwarzsee hoch, damit wir von dort Richtung Nord-Osten zum Zmuttgletscher hinunterfahren können. Unten angelangt, montieren wir zum ersten Mal die Felle und beginnen, durch das weite Gletschervorfeld, mit dem Aufstieg zur Schönbielhütte.

Es ist richtig warm, wir schwitzen, auch an den Füssen. Ich hoffe,  dass meine Füsse trotz der Wärme die nächsten Tage so gut durchhalten wie immer und es keine Blatern gibt. Wir steigen die Seitenmoräne hoch, wo wir langsam den Wind zu spüren bekommen. Das Matterhorn steht in voller Grösse unmittelbar neben uns. Es hat schon allerhand Bergsteiger gesehen und es fühlt sich an, als würde es uns wie ein Parkwächter kritisch beäugen. Das liegt wohl auch daran, dass ich gerade selbst etwas genauer hinschaue, wie wir uns als Gruppe so auf den ersten Metern bewegen, wie fit die anderen und ich selbst sind, wie die Gruppe so harmoniert. Auf der Seitenmoräne angelangt, stoppen wir unverhofft. Irgendwas stimmt mit der einen Bindung von Angis Splitboard nicht. Bei genauerer Betrachtung stellen wir fest, dass die zentrale Platte des Scharniers für die Aufstiegsstellung in der Mitte gebrochen ist. Eine Schraube scheint zudem herausgefallen zu sein. Ein ernster Schaden. Wir sind seit knapp 2h unterwegs, also nicht mehr wirklich in der Nähe eines Sportgeschäfts. Angi hat aber gefühlte 100 Kabelbinder dabei und Janik schraubt eine im Moment unwichtige Schraube von einer anderen Stelle dorthin, wo man sie aktuell braucht, sodass es zumindest bis zur Hütte reichen sollte. Angi macht sich darüber offensichtlich keine grossen Sorgen, sie läuft mit der gebastelten Bindung einfach weiter. Wir haben die Hütte nun in Sichtweite, im Hintergrund schimmert das blaue Eis des Gletscherabbruchs des Stokjigletschers. Der Wind frischt weiter auf, bläst die Restbewölkung der letzten Tage immer wieder tief ins Gelände. Ein spektakuläres Schauspiel, das einem das Gefühl gibt, weit oben, dem Himmel nah zu sein. Tour du Ciel halt… Genau wegen solcher Eindrücke bin ich hier!

DSC_0255_edited_smalljpg

Der letze Anstieg zur Hütte hat es nochmals in sich. Ich bin nassgeschwitzt und habe wegen des zügigen Windes etwas kalt, aber wir sind kurz vor der Hütte - das lässt sich verkraften. Morgen muss das mit dem Schwitzen und der Körpertemperatur aber anders laufen, werden die Bedingungen doch nochmals einiges rauer sein.

Die Hütte hat ihre Tore erst vor wenigen Tagen geöffnet. Es ist deshalb noch alles eiskalt. Wir versuchen, unsere Füsse, die feuchten Innenschuhe der Skischuhe, sowie die Felle am Ofen zu wärmen und zu trocknen. Fliessendes Wasser gibt es nicht, die Toiletten sind draussen in einem Holzschuppen. Wir müssen uns daran gewöhnen. Dies werden die Komfortzustände der nächsten Tage sein.

Angis Materialschaden lässt sich in der Hütte leider nicht besser flicken, ansonsten bin ich nach dem heutigen Tag optimistisch, dass das so mit dieser Gruppe die nächsten Tage gut kommt. Ob meine Einschätzung richtig ist, wird sich noch zeigen. Es ist aufregend, endlich hier oben unterwegs zu sein.