Von Schutthalden, Blockgletschern und Gletschertischen
24.07.2021 ( Glacier de Moming, Anniviers, VS )
Lesedauer: 4min
Wenn man sich für den Permafrost in der Schweiz interessiert, kommt man eigentlich fast nicht am Phänomen des Blockgletschers vorbei, besonders, wenn man wie ich, solch spezielle Gletscherorte besuchen möchte.
Blockgletscher sind eigentlich keine Gletscher. Vielmehr ist es ein riesiger Schutthaufen, der je nach Höhenlage mehr oder weniger mit Eis vermischt ist. Wasser das durch Regen oder Schnee auf das Geröll bzw. den Schutt fällt, fliesst zwischen dieses Lockermaterial. Liegt die Geröllhalde an einem genügend kühlen Ort, also in einer Permafrost-Zone, gefriert das Wasser zwischen dem Schutt. Das Eis, das sich so zwischen dem Schutt bildet und verändert, führt dazu, dass der Schutthaufen ähnlich einem normalen Gletscher zu fliessen beginnt. Die jährliche Bewegung einer solchen Schutthalde liegt bei 10cm bis einem Meter pro Jahr. Durch diese Bewegung entstehen Schutthalden, die eigenartige Formen annehmen, welche Lavaströmen oder eben Gletschern ähnlich sind.
Der grösste Blockgletscher der Schweiz, liegt im Val Sassa im Nationalpark, südlich von Zernez. Es wäre eine wunderbare Herbstwanderung von Zernez zur Cluozza Hütte, weiter über die Fuorcla Val Sassa, ins Val Trupchun und zurück nach S-Chanf. Allerdings wird die Cluozza Hütte gerade renoviert. Ohne eine Übernachtung in der Hütte ist der lange Weg leider nicht machbar. Ich musste mir folglich einen anderen Blockgletscher suchen.
Ein bisschen Recherche und man findet problemlos zwei andere Kandidaten:
Der
Blockgletscher im Val Muragl, südöstlich vom Muottas
Muragl ist einer der am besten untersuchten Blockgletscher der Welt. Zudem ist
er sehr einfach zu erreichen. Da ich wegen des
schlechten Wetters öfters im Engadin rumhänge, zwingt
sich ein Besuch dort förmlich auf. Vom Muottas
Muragl lässt sich eine wunderbare Rundwanderung zum Lei Muragl machen, wobei
man ständig den Blick auf den dortigen
Blockgletscher hat. Die wulstigen Fliessstrukturen sind hier aus der Distanz wunderbar
zu erkennen.
Tritt man näher, erkennt man die Eigenartigkeit dieses Dreckhaufens allerdings nicht mehr wirklich.
Der andere Blockgletscher dem ich begegnet bin, liegt auf der Nordseite der Pointe d’Arpitetta im Tal südlich unterhalb der Tracuit Hütte. Kommt man über den Col de Milon, führt der Wanderweg stellenweise über den Blockgletscher. Auch hier ist der Schutthaufen aus der Nähe kaum von einer „normalen“ inaktiven Geröllhalde zu unterscheiden. Aus der Ferne betrachtet sind hier die Fliessstrukturen aber etwas weniger stark ausgeprägt.
Blockgletscher übersieht man leicht. Man erkennt einfach schlecht, ob es sich jetzt um einen Blockgletscher handelt oder um einen richtigen Gletscher, der einfach meterhoch mit Schutt bedeckt ist. Letzteres ist mittlerweile leider auch ein sehr häufiges Phänomen.
Der Glacier de Zinal ist beinahe auf seiner ganzen Läng mit einer dicken Schuttschicht bedeckt. Für den Eisliebhaber ist das natürlich eine Tragödie, für den Gletscher allerdings überhaupt nicht. Die dicke, schützende Geröllschicht, vermindert das Abschmelzen der Gletscherzunge. Natürlich kommt es hierbei auf die Menge des Gerölls an, denn liegt nur ein wenig Geröll auf dem Eis, beschleunigt dies das Abschmelzen eher, da die dunklen Steine sich stark aufwärmen und so das Eis schneller schmilzt. Ist die Geröllschicht aber dick genug, so isoliert sie gegen die warmen Temperaturen und auf dem Glacier de Zinal liegt Schutt, soweit das Auge reicht. Es überrascht deshalb nicht, dass der Glacier de Zinal unter dem Schutt eine vorwiegend intakte Gletscherzunge aufweist und an deren Ende auch noch ein klassisches Gletschertor zu finden ist.
Liegen auf dem Gletschereis vereinzelt nur ein paar Steine oder Felsbrocken, bildet sich ein weiteres, eher kurzlebiges Gletscherphänomen, sogenannte Gletschertische. Im Schatten des Felsblocks, schmilzt das Eis weniger schnell ab, als auf dem restlichen Gletscher, wodurch unter den Felsblöcken Eistürme stehenbleiben und die Felsblöcke scheinbar in die Höhe heben. Auf der sonnenzugewandten Seite wird der Eisturm unter dem Fels aber stetig geschwächt und irgendwann fällt der Felsblock dann auf eine Seite hinunter. Bei einem Besuch auf dem Glacier de Moming haben wir allerdings den richtigen Zeitpunkt erwischt.
Nach so viel Schutt und Geröll hoffe ich, dass ich bald wieder etwas Eis und Firn unter den Füssen haben werde.