Von Mikroorganismen und Gletscherflöhen

19.06.2021 ( Glatt Firn, Erstfeld, UR )

Lesedauer: 3min

Um technisch und konditionell gut für die Sommersaison gerüstet zu sein, hatte ich mich für einen SAC Firn & Fels Fortbildungskurs angemeldet. So hat es mich eine Woche in die Kröntenhütte verschlagen. Diese liegt westlich, hoch über Erstfeld. Bei bestem Wetter haben wir dort, in einer unglaublich tollen Kursgruppe, mit zwei Bergführern das 1x1 des Alpinen Bergsport repetiert, verfeinert und viel Neues dazu gelernt. Bei verschiedenen Anwendungstouren konnten wir dann die Kenntnisse und Techniken im komplexeren Gelände noch etwas verfeinern. Markus und Irene haben auf der Kröntenhütte in den letzten 40 Jahren ein Paradies erschaffen. Ein längerer Besuch lohnt sich nur schon deshalb! Eindrücke von dieser unglaublichen Woche sind in der Galerie zu finden.

Nun, während der Krönten-Überschreitung, hat mich Mirko auf dem Glattfirn darauf aufmerksam gemacht, dass sich unter unseren Füssen Millionen von Gletscherflöhen tummeln, was für ein Glück!!

Ich hatte mich ohnehin noch mit Elle verabredet, um noch zwei Tage zu verlängern und noch eine weitere Tour zu machen, sowie etwas zu klettern. So packen wir am Samstag die Filmausrüstung ein und steigen nochmals zum Glattfirn hoch, um dort an einem sicheren Ort Makroaufnahmen der Gletscherflöhe zu machen. Wenn es darauf ankommt, ist es dann doch etwas komplizierter als erwartet, denn die Tiere sind nur gerade 2 mm gross und solch kleine Tiere mit einer Kamera einzufangen, ist eine grosse Herausforderung. Bei Makroaufnahmen ist das Fokusfeld äusserst klein, der Autofokus funktioniert nicht, zudem brennt die Sonne gnadenlos nieder, der Schnee leuchtet deshalb brutal hell, mit der polarisierten Sonnenbrille sieht man auf dem Kameradisplay nichts und unter diesen Umständen sollte man irgendwie ein scharfes Bild machen von winzigen Viechern, die verdammt schnell sind und sogar durch den Schnee hindurchkriechen. Ich bete, dass ich diese Chance nicht vermassle…


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Gletscherflöhe sind äusserst extreme Gebirgsbewohner. Sie leben auf Gletschern und Schneefeldern, ernähren sich von Pollen, Algen und angewehten Pflanzenresten. Ihr Stoffwechsel produziert spezielle Proteine und Zucker, welche es ihnen ermöglichen, bei Temperaturen um die -15°C ein „normales“ Leben zu führen. Lassen sie sich einfrieren, können sie sogar Temperaturen bis zu -60°C überstehen. Temperaturen über +12°C sind für sie allerdings tödlich. Genaugenommen sind sie keine Flöhe, sondern Springschwänze. Sie haben deshalb auch die Fähigkeit, sich bis zu 20cm in die Höhe zu spicken. Hätten wir Menschen diese Fähigkeit, könnten wir umgerechnet 100m hoch springen. Weitere Informationen zu diesem aussergewöhnlichen Gebirgsbewohner sind hier zu finden.

Neben den vielen Gletscherflöhen sind während der Schneeschmelze auch aussergewöhnliche Verfärbungen der Schneeoberfläche zu beobachten, manchmal grün, orange oder rot. Auf dem Altschnee vermehren sich Mikroorganismen, welche sich von Wasser, Kohlendioxid, Sonnenlicht und Mineralstoffen ernähren. Je nach Bakterienart und deren Sonnenschutzmethodik, färbt sich der Schnee dann unterschiedlich ein.

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Auf dem Obersee bei der Kröntenhütte können wir solche wunderbaren und intensiven Verfärbungen bestaunen. Ich kann nicht widerstehen, kurz vor dem Abstieg ins Tal mit der Drohne noch ein paar Bilder dieser einzigartigen und vergänglichen Kunstwerke zu machen.

Weitere Bilder sind in der Galerie zu finden.

Solch überraschende und unplanbare Erscheinungen am Wegrand sind es, welch mein Herz höher schlagen lassen. Was für ein Glück, die Zeit zu haben, rauszugehen, diese Ereignisse herauszufordern und anzuschauen.

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