Das Beste vor dem Start

Lesedauer: 7 min

2. März 2021 ( Pontresina, GR )

Ich bin mich ja gewohnt, dass in meinem Leben das eine oder andere nicht in der zu erwartenden Reihenfolge oder zu dem «allgemein üblichen» Zeitpunkt passiert und so blicke ich grinsend auf die vergangene Tour zurück. Es musste ja irgendwie so kommen und ich sollte mich wohl langsam auf diese Spontanität, Unvorhersehbarkeit und diese unerwarteten Überraschungen einstellen, trotz all der detaillierten Planung und meinen teils sehr konkreten Vorstellungen. Worum geht es?

Ich habe mir für mein Gletscherprojekt diverse Themenbereiche vorgenommen. Unter anderem hatte ich gehofft, in eine natürliche Gletschergrotte einsteigen zu können, um im Innern eines Gletschers die eigenartigen Eindrücke festzuhalten. Ein eher ambitionierter Plan, denn Gletschergrotten sind nicht ungefährlich, der Zu- und Einstig in der Regel alpintechnisch eher anspruchsvoll, Kommen und Gehen je nach Laune des Gletschers und man muss sie erst einmal finden. Ich hatte mir erhofft, dass im Spätherbst oder frühen Winter Ende 2021, wenn die Temperaturen wieder tief sind, das Schmelzwasser gefriert, so etwas möglich sein wird. Am vielversprechendsten erschein mir die Situation am Unteraargletscher, weil dort die Zunge mit einer schützenden Dreck- und Schuttschicht überzogen ist. Ich bin deshalb zu Vorabklärungen im Spätherbst 20 in Begleitung von Alex dort hin. Mehr zu dieser Aktion hier

Wie im vorigen Blogeintrag erwähnt, war ich damals aufgrund der angetroffenen Situation etwas entmutigt. Umso überraschter war ich, als ich via Bergsteigerbüro Pontresina erfahren konnte, dass am Morteratschgletscher eine solche natürliche Grotte aufgegangen und einigermassen einfach zu begehen war. So etwas passiert eher selten und die Zeitfenster für eine mögliche Begehung sind unter Umständen klein. Es war klar, da musste ich unbedingt und möglichst schnell hin, auch wenn ich aus filmtechnischer Sicht noch nicht wirklich dazu bereit bin und ich mir dieses Abenteuer für den Schluss meiner Auszeit gedacht hatte. Ich habe mich sofort bei Jasmin und Florian gemeldet, ob sie mich begleiten. Mehr zu den beiden später einmal. Wir haben uns daraufhin bei den Bergführern in Pontresina gemeldet und diese meinten, dass wir das mit Tourenskis etc. auch alleine machen könnten. Der Einstieg sei am betreffenden Ort gut zu finden. So haben wir das auf eigene Faust geplant. Weil wir nicht genau wussten, was auf uns zukommt, wurde das zu einer richtigen Materialschlacht. Die ganze Skitouren- und Hochtourenausrüstung mit Seil, Eisschrauben, Kleider für Pontresina-Gefriertruhen-Temperaturen, Notfunk etc. und zusätzlich noch der ganze Fotokram.

Da ich im Geschäft noch was erledigen musste, sind Jasmin und Florian schon vor und haben eine kleine Skitour gemacht, bei welcher sich herausstellte, dass selbst am Mittag die Schneedecke immer noch pickelhart ist. So haben wir uns dagegen entschieden, am Morgen von der Diavolezza über den Gletscher hinunter zu fahren, sondern steigen mit den Tourenskiern von der Station Morteratsch her auf. Die Sonne kommt noch nicht bis ins Tal hinunter und deshalb ist es wirklich sch**** kalt.

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Ich habe viele schöne Erinnerungen an diesen wunderbaren Ort hier und ich bin richtig glücklich, nach einer längeren Zeit wieder hier sein zu können.

Zur Winterzeit ist nicht gut ersichtlich, wo unter der Schneedecke jetzt genau der Gletscher beginnt. Mit den Skiern ist man glücklicherweise recht gut gegen das Einbrechen in Gletscherspalten geschützt. Zudem ist früh morgens die harte Schneedecke äusserst tragfähig. Die Gletscherabfahrt von der Diavolezza her war zudem als offen gemeldet, so haben wir uns über das Risiko keine Sorgen gemacht.

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Nach ca. zwei Stunden Zustieg, finden wir den Einstieg problemlos und bereiten die weitere Ausrüstung vor. Ein erster Augenschein zeigt, dass wir ohne Seilsicherung einsteigen können.

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Das Eis scheint kompakt und stabil, der Boden weitgehend von Stein und Fels bedeckt, durchsetzt mit eisigen Stellen und Eisskulpturen. Ein kleines Bächlein ist zu sehen, keine offenen Spalten oder Schlunde in die man fallen könnte. Die Steigeisen sind trotzdem eine willkommene Hilfe. Das smaragd schimmernde Eisgewölbe ist atemberaubend.

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Ich habe gehofft, dass wir sogenanntes Schwarzeis vorfinden und das ist zu meiner grossen Freude tatsächlich der Fall: glasklares Eis, darin kleine Luftbläschen, die wunderschöne dreidimensionale Galaxien formen, darin Luft womöglich aus einem anderen Jahrtausend. Auch im Eis eingeschlossene Steine sind auszumachen.  

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So ergötzen wir uns ziemlich sorglos and den unbeschreiblichen Eisformen und versuchen trotz wenig Licht, gute Aufnahmen zu machen. Wir haben Scheinwerfer und Stirnlampen dabei. Jedoch verpufft das zusätzliche Licht in der weiten Grotte beinahe effektlos.

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Da der Boden aufgrund der Felsblöcke und Eisskulpturen schwierig zu begehen ist und wir mit den Steigeisen nicht alles kaputt machen wollen, muss ich für eine vernünftige Kamerafahrt durch die Grotte die Drohne auspacken. Mit einer Drohne in einem Gletscher drin zu fliegen, wird mir wohl so schnell auch nicht mehr passieren. Es ist eine echte flugtechnische Herausforderung. Da es hier drin nicht nur ein visuelles, sondern auch akustisches Erlebnis ist, machen wir auch noch ein paar Audioaufnahmen der vorherrschenden Geräuschkulisse. Ich bin bei der ganzen Aktion schon ziemlich aufgeregt und veranstalte, in der Nervosität, in den Jackentaschen ein riesiges Chaos mit meinem Kamerakleinkram wie Filter, Objektive, Licht und Reserveakkus. Zudem hatte ich in letzter Zeit nicht viel Übung mit meinen drei Kameras und entsprechend Panik, dass ich diese einmalige Chance verkacke.

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Nach zwei Stunden bin ich mit der Konzentration deshalb völlig am Ende. Da taucht auch die geführte Gruppe auf und es wird Zeit, unseren Besuch zu beenden und in der warmen Sonne etwas zu essen.

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Eine Verwirrtheit und eine leichte Müdigkeit machen sich in meinem Kopf breit. Diese großartigen Eindrücke und die sich lösende Anspannung macht es schwierig, sich wieder zu konzentrieren auf das Material im Rucksack, die Skier, die weitere Route, das eventuell anspruchsvolle Gelände. Wir steigen noch etwas auf, um noch eine weitere, vielversprechende Stelle zu besichtigen, die sich dann aber als Niete entpuppt. Noch ein paar Drohnenaufnahmen von der Umgebung und wir kehren um.

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Die Abfahrt ist auch jetzt noch sehr holprig, unsere Einschätzung bezüglich der Verhältnisse am Morgen also durchaus richtig. Kurz vor der Station Morteratsch setzen wir uns spontan noch auf eine sonnige Bank und Jasmin holt eine Engadiner Nusstorte heraus, die offensichtlich trotz viel Ausrüstung im Rucksack noch Platz gefunden hat. Ein gebührender Abschluss für diese Tour.

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Ein erstes wichtiges Abenteuer kann ich nun bereits schon abhaken und ich freue mich riesig, bald wieder hierher zu kommen. Ich habe mir hier noch etwas vorgenommen, das mich mehrmals dieses Jahr zwingt, diesen wunderbaren Ort zu besuchen.