„Blüemlitour“ - Am höchsten Berg der Schweiz

29.07.2021 ( Dom, Randa, VS )

Lesedauer: 14min

Dieser Eintrag dauert etwas länger. Nicht weil ich Lust auf lange Blogs habe, sondern weil sich in den letzten drei Monaten so viel um diese eine Tour gedreht hat.

Weiteres Bildmaterial zu dieser Tour ist hier zu finden.

Bergsteigen ist ja grundsätzlich eine eigenartige Aktivität. Man steigt auf irgendeinen Berg, um oben zu sein. Das hat durchaus eine etwas egoistische Komponente. „Ich will diesen Berg besteigen…“, „Ich will alle 4000er der Schweiz erklimmen…“, „ Ich will am schnellsten auf den Berg…“, „ Ich will die schwierigste Route klettern…“ , „Ich will…“ „Ich will…“ „Ich will...“ Es ist legitim solche Dinge zu wollen und zu tun, aber diese Leistungskomponente spielt mir irgendwie keine Rolle.

Obwohl ich zwei, drei Lieblingsberge habe, bin ich nicht wirklich gipfelgeil. Ich habe meinen Fokus zudem darauf gelegt, vergängliche Gletscher und nicht Gipfel zu besuchen. Allerdings, wenn man schon Zeit und vor allem das ausgezeichnete Training und die Akklimatisation dazu hat, wäre es ev. durchaus sinnvoll, sich an einem etwas komplexeren Gipfel auszutoben, aber an welchem nur?

Bei meiner Recherche, im Vorfeld meiner Auszeit, bin ich darüber gestolpert, dass am Dom, in der Südroute, knapp 40m unter dem Gipfel, vor einigen Jahren der höchstgelegene Standort einer Blütenpflanze in Europa registriert wurde, womöglich ist es sogar der kälteste Standort weltweit.

Das ist eigentlich schon noch spektakulär, zumindest viel spektakulärer als die Tatsache, ob ein Berg jetzt 4400 oder 4600m hoch ist. Wenn man etwas darüber nachdenkt, ist es schon fast absurd, dort hochzugehen ohne zu versuchen, diese in Europa, auf dieser Höhe womöglich weltweit einmalige Pflanze anzuschauen. Natürlich blüht diese Pflanze auch an anderen Orten, aber es ist ja der unglaublich unwirtliche und extreme Standort, der dieses Exemplar so speziell macht.

Auf jeden Fall war das für mich ein guter Grund, den Dom, den höchsten Gipfel der komplett in der Schweiz liegt, in Angriff zu nehmen.

Als ich das nächste Mal Janik sah, fragte ich ihn, ob er mich allenfalls auf den Dom und dort in die Südroute runter führen würde, um dort diese Blume zu besuchen.
Er lachte und meinte: „Ja sicher, mal was anderes als „nur“ Gipfelkreuz“. Wir suchen sicherheitshalber zwei Zeitfenster und er notiert sich in seine Agenda „Blüemlitour mit Dominik“.

Ich begann zu recherchieren, wo genau dieser Standort ist und musste feststellen, dass es online gar nicht so einfach ist, genaue Informationen darüber zu finden. Via eine Kollegin, die sich während des Studiums u.a. mit alpiner Botanik beschäftigte, habe ich dann die Kontaktdaten von Prof. Dr. Christian Körner erhalten, der in den letzten Jahrzehnten an extremen alpinen Pflanzenstandorten, unter anderem an diesem Exemplar, geforscht hat. Als ich ihm von meinem Vorhaben erzählte und nach weiteren Informationen fragte, lud er mich kurzerhand zu einem Besuch auf die alpine Forschungsstation ALPFOR ein, um ein paar Dinge zu besprechen. Er hätte zu gern  bessere Fotos der Pflanze, ein gutes Übersichtsfoto des Geländes und am liebsten noch zwei, drei Temperatursensoren dort oben platziert, um zu belegen, dass es sich um den kältesten Standort einer Blütenpflanze weltweit handelt. Nun, das tönt nach einem machbaren und tollen Auftrag: die perfekte Kombination aus Abenteuer und Wissenschaft. So bin ich eines Tages auf die Furka gereist und wir haben zusammen an verschiedenen Exemplaren im Gelände ausprobiert, wie man die Sensoren für eine korrekte Temperaturmessung richtig unter den Steinbrecherkissen platziert.

DSC04199jpg
Temperatursensoren für auf den Dom

Das ist gar nicht so einfach, will man doch die Temperatur im Pflanzenkissen drin und nicht der unterliegenden Felsplatte messen. Je kleiner das Pflanzenkissen, desto schwieriger wird das aber. In der Diskussion ist dann noch die Idee aufgekommen, dass man zusätzlich noch Proben vom unter der Pflanze liegenden Substrat entnehmen könnte, um damit eine Gensequenzierung von Bakterien zu machen, welche auf dieser Höhe in und mit der Pflanze leben.

Diese Tour ist folglich zu einer veritablen Expedition ausgeartet, was mich natürlich unglaublich gefreut hat. Ich war hoch motiviert und wollte das auf keinen Fall vermasseln. Diese Bergtour wurde inzwischen so einzigartig, dass es für mich kein Zurück mehr gab. Entsprechend stieg auch die Ernsthaftigkeit in der Vorbereitung.

Zum Dom muss man sagen, wenn man ihn über die Normalroute besteigt, ist er technisch nicht wirklich anspruchsvoll. Er ist mit 4546 m in erster Linie einfach sehr hoch und dort oben kann es bei schlechtem Wetter ziemlich ungemütlich werden. Die drei entscheidenden Faktoren sind also gutes Wetter, gute Fitness und eine gute Akklimatisation. Eine gute Akklimatisation erreicht man am einfachsten, wenn man in den Tagen zuvor in grosser Höhe übernachtet. Noch besser, wenn man zwischendurch noch etwas höher als die Schlafhöhe aufsteigt. Nimmt man die Schweizerkarte und sucht sich ein paar aufeinanderfolgende hohe Hütten, wo es gleichzeitig noch etwas Gletscher zu sehen gibt, landet man schnell im Val Zinal. Entsprechend habe ich dort eine mehrtägige Rundtour vorbereitet und auch noch ein paar MitstreiterInnen gefunden, die mich dabei begleiteten. Fotos davon sind hier zu finden. Zusätzlich war ich vor dieser Akklimatisationswoche noch drei Tage mit dem SAC im Trient / Orny-Gebiet klettern und hochtouren. Fast zwölf Tage ununterbrochen im Hochgebirge als Akklimatisation und Training sind schon eine ziemlich gute Vorbereitung, immer mit dem Risiko, dass man sich auf einer dieser Touren blöde verletzt. Das war zum Glück nicht der Fall. Aber das Wetter… Mit etwas Sorge hatte ich die Wetterlage am Dom für unser erstes Besteigungsfenster in den Tagen zuvor mitverfolgt. Die gute Nachricht war, die Prognose änderte ständig. Über die Niederschläge und Schönwetterfenster in diesem Sommer, muss ich ja keine weiteren Worte verlieren. Womöglich haben wir aber trotzdem Glück!

So traf ich mich bei bedecktem Himmel mit Janik in Visp. Die letzte Regenzelle ist gerade durchgezogen und wir machen uns von hier aus mit seinem Auto auf nach Randa. Unterwegs machen wir noch kurz an einem Tankstellenshop Halt und holen eine Zeitung, Erdbeeren und Äpfel, die wir dann in die Hütte hochtragen und dort abliefern. Ich glaube, ich werde das in Zukunft öfters auch so machen.

Auf einer Strecke von gut 5.5 km stehen nun 1500 Höhenmeter an. Gemäss Tourenportal ein Aufstieg von 4.5h. Während des Aufstiegs treffen wir einen Bergführerkollegen von Janik an, der ebenfalls mit zwei Gästen unterwegs ist. Wir gehen gemeinsam weiter. Vier Walliser und ich, das ist für mich sehr unterhaltsam ;-)

Der Boden ist noch nass vom Regen und der Aufstieg über die Steine und nassen Wurzeln erfordert Konzentration. Wir sind zügig unterwegs, denn die anderen beiden Gäste sind, weil sie in Simplon Dorf wohnen, ebenfalls gut akklimatisiert. Bei der Hängebrücke vom Europaweg machen wir kurz Rast. Nun wird der Weg etwas schwieriger. Fixseile, Eisen und kurze Leitern sind ab jetzt vermehrt anzutreffen. Der Nebel hüllt uns immer noch in tiefes Grau. Ich schätze das allerdings, denn er kühlt und schützt vor der Sonne. Zudem lässt der aktuelle Wetterbericht auf eine klare Nacht und einen wunderbaren morgigen Tag hoffen; da ist mir der dicke Nebel doch egal.
Nach bereits 3h15‘ treffen wir bei der Hütte ein. Die letzten 500 Höhenmeter haben dann doch noch an den Kräften gezehrt. Wir gehen in die Hütte, melden uns an und liefern die Früchte ab. Janik tischt mir ein verdammt leckeres Jägertee-ähnliches Hüttengesöff auf… Prost! Die erste Etappe ist geschafft.
Wir setzen uns danach an den Tisch und besprechen nochmals, was wir für die Uni Basel da oben dann genau alles machen wollen. Janik meint, falls wir morgen gute Bedingungen vorfinden, könnten wir auch direkt über den Festigrat hoch. Das wäre etwas schwieriger, aber interessanter und direkter. Nach der Besprechung packe ich meinen Rucksack so, wie ich ihn am Morgen gerne hätte, lege noch die Sonnencrème und das Zahnputzzeug bereit und dann gibt’s schon bald Nachtessen.

Beinahe die ganze Hütte wird morgen auf den Dom hochsteigen und deshalb ist es nach dem Essen in der Hütte bald still. Viel Schlaf wird es trotzdem nicht geben, denn wir müssen um 02:00 aufstehen.

Tagwache! Ich bin in Kürze angezogen, gepackt, verpflegt, auf dem Klo gewesen und abmarschbereit. Wer die Blogs etwas verfolgt hat, weiss, dass diese morgendliche Phase für mich  in der Regel ein Drama ist. Jetzt bin ich ob meiner morgendlichen Effizienz durchaus etwas verunsichert, frage mich, ob ich nicht etwas Wichtiges, Zeitraubendes vergessen habe. Aber vielleicht mach ich hier nach 4 Monaten tatsächlich Fortschritte. Wir sind deshalb ziemlich schnell bereit, um loszulaufen und können uns bereits beim Start in der Hütte mit Janiks Bergführerkollege an die Spitze der langen Menschenkaravane setzen. Wir gehen zügig los, ein bisschen schnell für meinen Geschmack, aber mir ist lieber, wir gehen vorneweg, als dass wir dann bei den Schlüsselstellen rumstehen und warten, im schlimmsten Fall noch frieren müssen, bis andere Gruppen durch sind. Es ist noch stockdunkel, meine Stirnlampe leuchtet auf den Weg vor mir und die Füsse von Janik. Viel mehr, als das was im Lichtkegel auftaucht, liegt nicht in meiner Wahrnehmung. Das macht es allerdings auch etwas einfacher, um mich auf das Tempo, Gehtechnik und den Weg zu konzentrieren. Zwischendurch gönne ich mir aber einen Blick nach oben, denn ein fantastischer, klarer Sternenhimmel überzieht das Firmament.
Inzwischen tauchen in meinem Stirnlampenlichtkegel nicht nur Schutt und Geröll auf, sondern zusehends auch harter Firn und etwas Eis. Wir sind bereits auf den unteren Teil des Hobärggletschers aufgelaufen. Der Firn hat über Nacht optimal abgestrahlt. Die Oberfläche ist deshalb hart, aber rau. So können wir relativ weit noch ohne Steigeisen weiterlaufen. Als das Gelände steiler wird, entscheiden wir uns dann doch noch, uns anzuseilen, Steigeisen, Gstältli und den restlichen Krimskrams anzuziehen. Beim Blick zurück merke ich, dass wir und die befreundete Gruppe uns schon einen beträchtlichen Vorsprung erarbeitet haben. Das schnelle Wechseln der Ausrüstung wird unseren Vorsprung ausbauen. Ich merke, auch darin habe ich inzwischen einiges an Übung. So starten wir nun am Seil in die höchste Gebirgszone der Schweiz.
Plötzlich stehen wir an einer senkrechten Felswand. Wir haben das Festijoch erreicht. Eine knapp 70m hohe Kletterpassage liegt vor uns. Diese vielbegangene Stelle ist aber gut abgesichert. Janik steigt vor. In der Dunkelheit eine Felswand hochzuklettern, erinnert leicht an eine Höhlentour. Ich finde diese Nachtkletterpartie eine tolle Abwechslung zum bisherigen Routenverlauf. Obwohl die Passage steil ist, bieten sich gute Griffe an, was den Spassfaktor enorm erhöht. Beim Blick nach unten sehen wir Lichterketten aus Stirnlampen den Gletscher hoch gehen. Der Lichtkegel meiner Stirnlampe schweift zurück an den Fels und über ein Blumenkissen. Ich stoppe kurz und stelle freudig fest, dass unser Gegenblättriger Steinbrecher sich bereits hier am Festijoch breit gemacht hat.

DSC_2464jpg

Dass ich die Pflanze bereits hier antreffe, ist eine kleine Überraschung. Aber ich freue mich, denn immerhin habe ich jetzt ein Exemplar hier oben gesehen. Oben auf der Felskante angekommen, machen wir mit dem angekündigten Wind Bekanntschaft. Trotzdem legen wir eine kleine Rast ein und stärken uns. Die Bedingungen sind gut und Janik findet, wir sollen die direkte Linie über den Festigrat wagen. Das Wetter ist gut, der Schnee kompakt, ich bin top fit und somit stimme ich seinem Vorschlag zu. Wir legen nun etwas gemächlicher los. Langsam dämmert es und wir können das nun etwas komplexere Gelände ohne die Hilfe von künstlichem Licht in Angriff nehmen. Der Festigrat ist eine Mischung aus Blockkletterei, Firnpassagen, Geröllrücken und Gratklettern. Ich hatte es mir etwas ausgesetzter vorgestellt und finde den Schwierigkeitsgrad, den ich nun antreffe, ziemlich angenehm.

Ich merke, dass ich mit der Höhe und dem aktuellen Tempo unglaublich gut zurechtkomme. Der starke Höhenwind kühlt mich überraschenderweise auch nicht aus, obwohl ich unter der Softshell-Jacke nur ein Merino T-Shirt trage. Die ersten Sonnenstrahlen beginnen die Gipfel der umliegenden Viertausender zu vergolden. Ein unbezahlbares Naturschauspiel. Es fühlt sich wirklich richtig toll an, in so grosser Höhe mit so viel konditioneller Reserve, mit Pickel und Steigeisen, vor atemberaubender Kulisse ein Firnfeld hochzuklettern.

Vielleicht muss Bergsteigen gar keinen Sinn haben, vielleicht darf man es einfach wegen diesen unglaublichen Momenten tun, weil sie einem einfach Spass machen.

Wir unterbrechen unseren Aufstieg kurz, um diesen wunderbaren Morgen, diese Aussicht und die aufgehende Sonne einen Moment lang zu geniessen. Ich sehe, auch Janik hat sichtlich Spass und er meint: „Weisst du, ich habe schon so viele Sonnenaufgänge gesehen, aber es ist trotzdem jedes Mal aufs Neue ein unbeschreiblicher Moment!“

DSC_2468_stitch_editedjpg

Geteilte Freude ist doppelte Freude und so starten wir, dicht vorbei an ein paar Séracs, mit bester Laune zum Gipfelsturm. Der Endaufsteig zieht sich dann doch noch etwas hin und wir nehmen das Tempo der Höhe wegen nochmals etwas zurück. Nach 4h45‘ erreichen wir den Gipfel und angeln uns über den schmalen Schneegrat zum Gipfelkreuz. Im Tourenportal ist angegeben, dass man für eine Besteigung über den Festigrat schon 5-6h benötigt. Ich bin ein bisschen stolz auf mich!

Nun, wir haben hier oben ja noch eine Mission. Als ich in die Südroute und in die südlichen Expositionen blicke, muss ich mir eingestehen, dass sich meine Befürchtungen bestätigen. Wegen des schlechten Wetters diesen Sommer liegen da noch Unmengen von Schnee. Mir dämmert ziemlich schnell, dass das eine aussichtslose Aktion geben könnte. Etwas frustriert lehne ich am Gipfelkreuz. Janik will noch nicht aufgeben und wir verschieben uns langsam hin zur Südroute. Der Gipfelgrat ist enorm ausgesetzt und wir konzentrieren uns, dass jeder Griff, jeder Tritt trotz des vielen Schnees sitzt. Auf einem etwas breiteren Felsvorsprung nehmen wir Platz und versuchen, weiter in die Südroute hinunterzublicken. Wir sehen gar nichts ausser Fels und Schnee. Wir beraten uns und Janik bastelt sich einen Fixpunkt, um sich weiter in die Südroute hinab zu sichern. So schafft er es, noch eine Seillänge weiter abzusteigen. Doch auch von da ist weit und breit nur Fels und Schnee zu sehen.

GH019624-2_editedjpg

Eigentlich müssten wir richtig sein, aber wahrscheinlich ist unter irgendeiner der vielen Schneekuppen das Pflänzchen versteckt. Mir ist etwas unwohl, als ich sehe, wie sich Janik durch das steile Gelände kämpft. Ich bitte ihn zurückzukommen. Es ist wirklich unnötig, hier einen blöden Unfall zu provozieren. Auch weil er nichts Brauchbares erkennen kann, macht er sich wieder an den Aufstieg. Währenddessen packe ich mein Probematerial aus und versuche an einem Felsen von ein paar Flechten doch wenigstens noch eine biologische Probe zu sammeln. Auch das habe ich mir einfacher vorgestellt. Auf 4546 m bei 40km Wind und eisiger Kälte ein steriles Eppendorfröhrchen zu öffnen und mit sterilen Corona-Teststäbchen eine Flechte an einem Felsen so abzukratzen, dass das Zeugs in das Röhrchen fällt, ist doch eine ziemliche Herausforderung. Bis ich alles wieder zusammengepackt habe, ist auch Janik wieder bei mir oben. Wir verschieben uns langsam zum Gipfel zurück und über den schmalen Firngrat zum breiten Teil des Gipfels. Hier machen wir Pause. Ich bin enttäuscht, denn ich hätte hier oben gerne noch was Nützliches getan und den Wissenschaftlern gute Nachrichten nach Hause gebracht. Nun muss ich ihnen sagen, dass wir gar nichts machen konnten. Naja… Janik überlegt noch mit seinem Bergführerkollegen, ob man ev. doch noch etwas machen könnte, aber es hat einfach viel zu viel Schnee. Dann bleibt es halt allein bei diesem Versuch.

Aus alpinistischer Sicht hingegen ist der Tag bis jetzt ein richtiger Erfolg. So machen wir uns an den Abstieg. Vorbei an den unzähligen Gruppen, die via Normalroute hochkommen, steigen wir wiederum relativ zügig über den mit Firn bedeckten Hobärggletscher ab. Es ist schon atemberaubend, diese meterhohen Flanken aus Eis, die bei einem Gletscherabbruch zu unserer Linken in die Höhe ragen.
Beim Abstieg hat man zudem einen wunderbaren Blick auf das vor uns liegende Panorama und weil der Weg technisch nicht anspruchsvoll ist, kann man das beim Laufen so richtig geniessen.
Wir kommen wieder zum Festijoch, wo wir runter klettern müssen. Ich schlage Janik vor, dass wir zumindest vom Substrat unter den Steinbrecher Pflanzen am Festijoch noch einige Biologische Proben sammeln. Da es gleich im obersten Teil zwei drei Kissen hat, legen wir sofort los. Auch wenn das hier der falsche und womöglich ein uninteressanter Pflanzenstandort ist, so kommen wir wenigstens nicht ohne etwas nach Hause.

GH019653-1_editedjpg

Wir packen alles wieder zusammen, und seilen uns über die Felswand auf den Gletscher ab. Der restliche Weg über den Gletscher und über die ihm vorgelagerten Geröllhalden ist rasch zurückgelegt und wir sind noch vor dem Mittag in der Hütte, wo wir uns ein ausgiebiges Röstizimittag und etwas Ruhe gönnen.

Wir entschliessen uns, gleich am selben Tag noch nach Randa abzusteigen. So warten nach den bereits zweimal zurückgelegten 1700 Höhenmetern nochmals 1500 Höhenmeter Abstieg auf uns. Ich bin froh, als wir die schwierigen Wegpassagen nach der Hütte hinter uns haben und es im unteren Bereich nicht mehr so viel Konzentration braucht. Es lohnt sich nicht, weitere Worte über diesen langen Abstieg zu verlieren, irgendwann ist er dann doch zu Ende.
Beim Auto fragt Janik, was wir denn mit dem reservierten Slot nächste Woche nun anstellen. Den Dom können wir ja jetzt abhaken und der Schnee den wir oben hatten, wird nächste Woche auch nicht weg sein. So darf ich mir schon wieder einen bergführerwürdigen Gipfel überlegen, den man besteigen könnte. Zwischen dem Moiry und dem Trient/Orny Gebiet habe ich noch keine einzige Tour gemacht. Und ich mag es, neue Regionen zu entdecken. So frage ich Janik, was denn der Chef in diesem Gebiet empfiehlt. Er meinte, er wüsste noch eine kombinierte Kletterhochtour am Grand Darray, von der er schon viel gehört hätte, sie aber noch nie gemacht habe. Interessant genug, uns diese Route in den nächsten Tagen noch etwas genauer anzuschauen.

Zu Hause angekommen, stelle ich die gesammelten biologischen Proben in die Gefriertruhe. Ob man diese für irgendetwas brauchen kann, wird sich in den nächsten Wochen klären. Ich setze mich an den PC, um das Video- und Fotomaterial zu sichern und zu sortieren. Christian schreibe ich einen leider etwas ernüchternden Rapport über unsere „Blüemlitour“. Die Tatsache, dass wir da oben beim Bergsteigen so unglaublich viel Spass hatten, tröstet mich über die Frustration hinweg, dass das aus wissenschaftlicher Sicht wohl ein Reinfall war.

Muss Bergsteigen einen Sinn haben oder ein ausweisbares Resultat?

Nach dieser Tour muss ich sagen, dass allein der nackte Spass am Bergsteigen, eine solche Gipfeltour rechtfertigt und ich freue mich, auf die nächste Spasstour mit Janik.