Auswertung meines „Mobilitätstagebuchs“

07.02.2022 ( Aarau, AG )

Lesedauer: 8min

Der Verkehr verursacht in der Schweiz ein Drittel der Treibhausgasemissionen.
An diesem Wert ändert sich leider seit längerem nicht viel.
Grund genug, mich mit meiner Mobilität während meiner Auszeit genauer zu beschäftigen.

Ich habe mich nie ausführlich mit meiner Mobilität befasst. Ich wusste einfach, Auto und Flugzeug sind schlecht, Zug und Langsamverkehr sind gut. Da ich in meinem Leben beinahe alles mit ÖV unternehme und kein Auto besitze, bin ich wohl auf der „Grünen“-Seite. Viel tiefer aber bin ich bisher nicht in das Thema eingetaucht. Das soll sich nun ändern.

Ich bin während meiner Auszeit nicht ins Ausland geflogen, habe aber umso mehr Reisekilometer innerhalb der Schweiz zurückgelegt.

Ich habe mir vorgenommen, den Fussabdruck dieser (Freizeit-)Mobilität möglichst gering zu halten und die verursachten Emissionen zu kompensieren. Dazu musste ich aber ein detailliertes Mobilitätstagebuch führen. Da mir das Sammeln von Daten und deren Auswertung als Ingenieur durchaus Spass machen und ich ja Zeit hatte, kann ich nun, basierend auf diesen Daten, folgenden Blog präsentieren.

Die Auswertung bezieht sich auf den Zeitraum meiner Auszeit, also von Mitte März bis Ende September und umfasst die gesamte Mobilität in diesem Zeitraum, nicht nur jene für meine Bergabenteuer.

Starten wir mal mit den Totalzahlen:

Total zurückgelegte Reisekilometer:                     13‘310 km

Das sind knapp 460 Reisekilometer pro Woche, also 6-mal die Bahnstrecke Aarau-Bern.

Davon:

Bahn:   11‘570 km
Bus:        470 km
Auto:      980 km
Vespa:    290 km

Berechnet man daraus die CO2 Emissionen, ergibt sich ein Total von: 242 kg CO2eq

Das entspricht etwa einem Hin- und Rückflug nach Frankfurt, Economy Class oder 91 Liter Heizöl (1/2 Badewanne) . Das wäre gerade eine Steilvorlage für das Thema „Warum man Ölheizungen ersetzten sollte“. Aber lassen wir das mal.

Wie man in der untenstehenden Grafik sieht, habe ich nur gerade 7.4% der Strecke mit dem Auto zurückgelegt. Dies verursacht aber fast 42% meiner CO2-Emissionen. Ähnlich viel, wie die über 11‘000 km Bahnfahrt.

TotalKmjpg

TotalCO2jpg

Das liegt daran, dass das Auto mit seinen ~200 gCO2/km etwa 25 mal schlechter abschneidet, in der CO2 Bilanz, als der Zug mit seinen ca. 8 gCO2/km.

Mehr zu diesen Zahlen und Kalkulationsgrundlagen meiner Auswertung ganz am Schluss.

Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen:
Nimmt man also den Zug an Stelle des Autos, ist man 25 mal besser!! Plastik sammeln, weniger Fleisch essen, Licht löschen in Ehren, aber das Auto stehen lassen und den Zug nehmen, schenkt richtig ein!

Also, wenn ihr etwas aus diesem Blog mitnehmen wollt, dann:

Hört auf, im Stau zu stehen, auch in der Freizeit! Nehmt den Zug, das ist richtig gut!


Ja, ich weiss: Das Auto ist aber so praktisch und ich habe so viel Ausrüstung. Doch für Fr. 12.- kann man sich mit der SBB 25kg Gepäck und Ausrüstung von Bahnhof zu Bahnhof schicken lassen. Hat man das GA, kann man das Gepäck auch unabhängig vom Reiseweg rumschicken, d.h.: Vorgängig das Hochtourenmaterial (Seil, Steigeisen etc.) nach Pontresina schicken, mit dem Zelt (im Zug) losziehen, übernachten, ein paar Tage später in Pontresina das Hochtourenmaterial am BHF abholen, Zelt am Bahnhof aufgeben und nach Landquart schicken, dann zwei Tage mit leichtem Gepäck und Gebirgsausrüstung von SAC-Hütte zu SAC Hütte wandern, in Landquart wieder Hochtourenausrüstung nach Hause schicken und mit dem Zelt weiter.

Jetzt noch kurz überlegen, wieviel man bezahlt, um einen Tag lang zu parkieren und dann hätten wir das Thema wohl erledigt kisspng-emoji-sunglasses-emoticon-smiley-sunglasses-emoji-5ac51848a32f526353575615228662486684jpg


Da aber auch eine autofreie oder ÖV-optimierte Mobilität CO2 verursacht, will ich nun wissen, wieviel denn das von meiner Mobilität ausgestoßene CO2 die Gesellschaft kostet.

Die Schweiz besteuert zurzeit die Tonne CO2 mit 120 Franken. Nun, das ist ja schön und gut, aber diese politisch ausgehandelte Lenkungsabgabe hat nur geringfügig damit zu tun, wie viele Kosten denn eine Tonne CO2 für die Gesellschaft verursacht. Die richtige Frage wäre also: Wie hoch sind die Schadenskosten einer Tonne CO2. Das Umweltbundesamt Deutschland hat hier Kosten von 640 Euro berechnet. ( Ernteausfälle, Schäden durch Unwetter, etc.)

Kleine Notiz am Rand: Das abgelehnte CO2-Gesetz hätte diese Lenkungsabgabe auf 210 CHF/tCO2 erhöht. Wer wohl die Differenz bezahlt und wann?

Man rechne:

0.242 tCO2 * 640 Euro/tCO2 = ~160 CHF.

Es ist also damit zu rechnen, dass der CO2-Ausstoss meiner Mobilität, im genannten Zeitraum, gesellschaftliche Kosten von 160 CHF verursacht hat.

Wenn ich mit diesem Blog bewirken kann, dass der eine oder andere in Zukunft öfters den Zug nimmt, dann hält sich mein schlechtes Gewissen bei diesen Zahlen wirklich in Grenzen. 

Habe ich schon erwähnt, dass Autofahren 25 mal mehr CO2 ausstösst als Zugfahren und somit auch 25mal höhere Folgekosten verursacht? kisspng-emoji-sunglasses-emoticon-smiley-sunglasses-emoji-5ac51848a32f526353575615228662486684jpg

Und wo kann man/ich das nun kompensieren?
Zum Beispiel hier: myclimate

Zum Schluss noch ein paar „Fun-Facts“ bevor dann der Teil für die Nerds kommt:

Längste „one way“ ÖV Reisedistanz: 272 km
Aarau – Bern – Fribourg – Lausanne – Martigny – Orsière – Champex-Lac

Längste ÖV Reisestrecke an einem ganzen Tag: 420km
Aarau – Bern – Visp – Oberwald – Furkapass – Hospental – Andermat - Arth-Goldau - via Freiamt umgeleitet ?!? - Zürich – Lenzburg - Aarau

Eine Zugfahrt von Aarau nach Pontresina via Albula dauert 4h bei 244 km Bahnstrecke. Das macht eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 61 km/h. Für mein Mobilitätsverhalten und das Verhältnis von schnellen zu langsamen Zügen ist das eine sehr repräsentative Strecke.

Rechnet man das hoch auf die 11'570 Bahnkilometer die ich gemacht habe, habe ich in diesem halben Jahr wohl 190h in Zügen verbracht. Das sind 8 volle Tage.

Von meiner Mobilität sind:

65% diesem Projekt zuzuordnern

26% für Spasstouren ohne Projektbezug

10% für Sonstiges wie Familienbesuche etc.


Noch was zu Hubschraubern

Was ich in meiner CO2-Auswertung weggelassen habe, ist der 4-minütige Evakuierungsflug nach dem Lawinenereignis. Hätten wir das Drama „verursacht“, hätte man natürlich diskussionslos die gesamte Einsatzdauer von zwei Hubschraubern einkalkulieren müssen. Nun, gemäss Mobitool, liegt der CO2-Ausstoss eines Hubschraubers pro Flugstunde bei 757.38 kgCO2.

Der für uns 4-minütige Evakuierungsflug mit der Air Glacier (4 Pers./Flug) hat gemäss Mobitool 12.6 kgCO2 verursacht. Diese 4min würden also meine Mobilitätsemissionen nochmals um gut 5 % erhöhen.

Sieht man diese Zahlen, dann ist es wohl durchaus berechtigt, sich darüber Gedanken zu machen, ob es Dinge wie Heliskiing wirklich braucht. Lasst mich mal überlegen …. Äh.. nein..

Das wär’s eigentlich, der Rest des Blogs ist für die Nerds!!


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Nun für die Nerds:

Die für meine Kalkulationen verwendeten CO2-Pauschalen basieren auf dem Mobitool, auf welches sich auch die Webseite des WWF bezieht. Dort fliessen nicht nur CO2-Emissionen, die durch den Treibstoff entstehen ein, sondern z.B. auch die Herstellung des Fahrzeugs, Strasse und Infrastruktur sowie Unterhalt.

https://www.mobitool.ch/de/tools/mobitool-faktoren-v2-1-25.html

https://www.wwf.ch/de/nachhaltig-leben/mein-fussabdruck-mobilitaet

Auto:

Beim CO2-Ausstoss für’s Auto habe ich mich der 197 gCO2/km bedient, die der WWF ausweist und ebenfalls auf dem Mobitool basieren. Die meisten Autofahrten sind nur wegen mir zu Stande gekommen, z.B. hat mich ein Angehöriger oder Bergführer irgendwo hingefahren. Da sitzen zwar zwei Leute im Auto und man könnte das durch zwei dividieren, die Autofahrt hätte es ohne mich aber nicht gegeben, deshalb geht die ganze Emission auf mich.

Bei Autofahrten, die z.B. durch ein Alpentaxi ausgeführt und somit gleichzeitig mehrere Personen befördert wurden, habe ich jeweils durch die Anzahl Personen dividiert.

Bus:

Beim Bus ist die Sache etwas komplizierter. Obwohl ÖV, haben Postautofahrten ganz klar eine schlechtere CO2-Bilanz als Zugfahrten, aber schneiden doch besser ab als das Auto. Zudem hängt die Bilanz hier sehr stark von der Belegung ab. Ich habe in zwei Belegungsklassen eingeteilt. Eine schlechte Belegung (Bus weniger als halb gefüllt) und eine gute Belegung (Bus mehr als halb gefüllt). Man kann sich vorstellen, dass die Belegung unter der Woche in den Berggebieten meist schlecht war.

Für die schlechte Belegung habe ich die Zahl für Autobus aus dem Mobitool von 152 gCO2/km verwendet, die von einer Auslastung von 17% ausgeht. Bei der guten Belegung habe ich die Pauschale des Reisebusses von 61 gCO2/km verwendet, die von einer Auslastung von 42% ausgeht. Wahrscheinlich ist die erste Annahme etwas zu optimistisch, die zweite etwas zu schlecht.

Bahn:

Auch beim Zug hängt die Bilanz von der Auslastung ab, aber da ich nicht sämtliche Passagiere zählen wollte und zu allen möglichen Zeiten und an den verschiedensten Orten unterwegs war, ist die Pauschale von 8 gCO2/km, die für den Gesamtbetrieb errechnet wurde, wohl repräsentativ.

Vespa:

Bei der Vespa ist es nochmals anders. Schaue ich im Mobitool die Berechnungsgrundlagen an, dann passt meine Vespa nicht in eine der Zweiradkategorien. Sie säuft viel weniger Benzin als die ausgewiesenen Kategorien. Ich habe deshalb nur das in der Periode verbrauchte Benzin gerechnet, mit einem Ansatz von 2.34 kgCO2/Liter. Daraus resultiert für die Vespa ein Wert von 45.3 gCO2/km.

Bergbahnen

Die Seilbahnen habe ich in meiner Kalkulation weggelassen. Im Vergleich zum Rest, sind die gefahrenen Kilometer äusserst gering. Gemäss Mobitool ist ihre CO2-Pauschale aber mit jener eines gut belegten Reisebusses zu vergleichen.